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Im Jahr 1588 gab es in Burg einen Grund zum Feiern! Davon erzählt der alte Altar von St. Nicolai, der heute in der Grabower Kirche steht. Viele Details erzählen von diesem Ereignis. Da sind zuerst einmal zwei ovale Wappenschilde, kunstvoll in Ornamente eingefasst. Das rechte ist das Burger Stadtwappen, ein Stadttor mit zwei Wachtürmen und der Jungfrau Maria mit dem Kind in der Mitte.

Das linke Wappen gehört zu Joachim Friedrich von Brandenburg. Sein Vater war in dieser Zeit Kurfürst der Mark Brandenburg. Und da Joachim Friedrich der älteste Sohn in der Kurfürstenlinie war, sollte auch er einmal Kurfürst werden. Aber solange der Vater lebte, hatte die Familie einen anderen Auftrag für ihn.

Die Stadt Burg gehörte im 16. Jahrhundert zum Erzstift Magdeburg. Dieses Erzstift war ein eigenes Fürstentum und wurde vom jeweiligen Bischof regiert. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation hatten viele Bischöfe neben ihrem geistlichen Amt auch ein richtiges Fürstentum zu regieren. Deshalb sorgten auch die Fürstenfamilien dafür, dass diese Regierung möglichst in ihrer Hand blieb. Das Erzstift Magdeburg wurde lange Zeit von den Hohenzollern, dem Brandenburger Herrscherhaus, regiert. Bedingung war nur, dass sie einen Bischof stellten.

In der Reformationszeit, wo es neben der katholischen Kirche auch die lutherische gab, war es nicht mehr selbstverständlich, dass die Fürstenhäuser einen Bischof stellen konnten. Die Hohenzollern in Brandenburg waren in dieser Hinsicht pragmatische Herrscher. Joachim II., der Großvater von jenem Joachim Friedrich, hatte erst spät, im Jahr 1539, in Brandenburg die Reformation eingeführt. Das bedeutete, die Priester durften heiraten, beim Abendmahl gab es nicht nur das Brot, sondern auch den Kelch und Klöster wurden aufgelöst. Aber ansonsten gab es weiter die festlichen Messgewänder der Priester, die Liturgie im Gottesdienst wurde nur wenig geändert und die kostbaren Altäre und Epitaphe blieben in den Kirchen. Brandenburg machte eine Reformation light. Und obwohl man nun evangelische Gottesdienste feierte, wurde festgelegt, der Enkel, also Joachim Friedrich, bleibt katholisch und wird zum Priester geweiht. Man wollte schließlich nicht das Erzstift Magdeburg verlieren.

Und so sah seine Laufbahn aus: Joachim Friedrich wurde als 7-jähriger Bischof von Havelberg und als 14-jähriger Bischof von Brandenburg. Und 1566, da war er 20 Jahre alt, starb der Erzbischof von Magdeburg, sein Onkel, und Joachim Friedrich wurde zu seinem Nachfolger gewählt. Aber der Papst weigerte sich, ihn als Erzbischof anzuerkennen, weil der Onkel 5 Jahre vorher zur evangelischen Kirche gewechselt war. Deshalb war Joachim Friedrich nur Administrator, und damit lediglich weltlicher Herrscher des Erzstiftes. Als solcher unterstützte er immer mehr die evangelische Seite und schaffte im Gebiet des Erzstiftes schließlich die katholische Konfession ganz ab.

Die Kirchen von Burg standen in dieser Zeit immer noch unter dem Patronat des Klosters „Unser Lieben Frauen“ in Magdeburg. Das heißt, Magdeburger Räte hatten die Aufsicht und die Entscheidungsgewalt über die Kirchen und Schulen in Burg. Das gefiel den Ratsherren in Burg nicht, denn langsam stellte sich ein Selbstbewusstsein und ein Verantwortungsgefühl für die eigenen Kirchen ein. Man verhandelte und erreichte schließlich beim Administrator Joachim Friedrich einen Durchbruch. Für 1000 Reichstaler kaufte der Burger Stadtrat den Magdeburgern die Patronatsrechte über Kirchen und Schulen ab. Das war 1588

Zwischen dem Wappenbild Joachim Friedrichs, dem man zu Dank verpflichtet war und dem Wappen der Stadt Burg, ließen sich die Ratsherren mit ihren Frauen malen. Eine Szene beim Gottesdienst in der Nicolaikirche. Links ein Geistlicher im schwarzen Talar gibt das Brot an einen knieenden Ratsherrn. Rechts ein Geistlicher im Messgewand gibt den Kelch an einen anderen knieenden Ratsherrn. Bunte Messgewänder waren in lutherischen Kirchen bis ins 18. Jahrhundert noch völlig normal.

Auf diesem Sockelbild in der Predella ruht nun das Bild vom letzten Abendmahl. Eine Erinnerung an den Ursprung der eigenen Abendmahlsfeier. Jesus feiert mit seinen Jüngern, er bereitet sie auf seinen Abschied vor. Aber dort sitzen nicht nur die 12 Jünger. Links neben Jesus sitzen klar erkennbar, Martin Luther und Philipp Melanchthon. Diese Idee hatte als erster Lucas Cranach der Jüngere, Maler in Wittenberg. Er war genauso erfolgreich wie sein Vater, der schon viele Portraits der Reformatoren gemalt hatte. Aber erst der Sohn Lucas Cranach hat begonnen, Abendmahlsszenen mit den Reformatoren zu entwerfen. 1588, als dieser Altar entstand, war er jedoch schon tot. Und die Idee hatte inzwischen zahlreiche Nachahmer gefunden.

Es ist unwahrscheinlich, dass dieser Altar aus der Cranachwerkstatt kam. Unten in der Predella gibt es rechts einen schwarzgekleideten Herrn, der dem Betrachter direkt ins Auge sieht. Über ihm befindet an der Säule ein Wappen und die drei Buchstaben LVR. Wahrscheinlich hat sich hier der Künstler verewigt. Aber er ist heute unbekannt.

Aber Luther und Melanchthon sind auch nur zwei unter den anderen Gästen. Die Gemeinschaft ist größer, bunter, vielfältiger. Es gibt unterschiedliche Blickrichtungen der Jünger. Wohin geht die Kirche? Wir wissen es nicht! Aber wir haben selbst Verantwortung für unsere Kirche! Das sagt uns dieser Altar! Und es gibt einen Rahmen, den bilden die vier Evangelisten. Oben links: Matthäus. Links unten: Lukas. Rechts unten: Johannes. Und oben rechts: Markus. Die Evangelien bilden den Rahmen, der die Kirche in der Mitte hält.

Und dann sind da noch Adam und Eva. Sie stehen vor dem Bild. Einst im Paradies. Dann vertrieben, weil sie vom Baum der Erkenntnis genascht haben. Was hatten sie getan? Sie hatten sich angemaßt über Gut und Böse zu entscheiden und damit ein Urteil gefällt, das nur Gott ansteht. Der alte Mensch versucht wie Gott zu sein, um am Ende Gott zu vergessen. Der neue Mensch ist ein Mensch der Gemeinschaft, mit fragenden Blicken wie die Jünger, mit der Suche nach den Quellen in der Heiligen Schrift, wie Luther und Melanchthon und mit einer segnenden Hand, wie Jesus sie allen entgegenstreckt.

Der Altar sagt: Wir wollen Verantwortung für unsere Kirche wahrnehmen. Selbständig, selbstbewusst und doch achtsam. Voller Respekt für diejenigen, die einen anderen Glauben haben und auch dazu gehören. Denn Kirche ist bunt, vielfältig und veränderbar! In einer solchen Kirche können wir uns als neuen Menschen erleben, verantwortungsbewusst und in Gemeinschaft untereinander und mit Gott.

1588 wurde er hier im Chorraum errichtet. Gut hundert Jahre später hat die Gemeinde sich schon wieder von ihm getrennt. Im Kirchenrechnungsbuch von 1703 steht der kurze Eintrag: Für 6 Thaler und 8 Groschen ist der alte Altar nach Stresow verkauft worden.

In Stresow stand er bis 2018. Dann ist er aus Gründen des Denkmalschutzes nach Grabow in die dortige Kirche umgesetzt worden. Machen Sie doch in diesem Sommer einen Ausflug nach Grabow zu einem der Konzerte, die dort regelmäßig stattfinden und gucken Sie sich diesen kostbaren Altar aus nächster Nähe an!

Allen eine erholsame Sommerzeit!

Pfr. Peter Gümbel
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